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Formen der Freimaurerei

Aktualisiert: 11. Nov. 2023

Ein Vortrag von Gerhard Etzold-Jordan, AltGrossRedner und AltGrossMeister des SGOvD.


Meine Damen und Herren, In der Einladung zu diesem Abend steht, dass ich etwas zu den Formen der Freimaurerei sagen soll. Mein Name ist Gerhard Etzold-Jordan und ich bin der Redner, nicht dieser Loge sondern im Dachverband. Der Dachverband von mehreren Logen wird in der Freimaurerei als Großloge oder auch Großorient bezeichnet. Der Redner hat in der Loge die Aufgabe für das geistige Leben und Arbeiten zu sorgen, von daher ist es meine Aufgabe für das geistige Leben und Arbeiten im Dachverband zu sorgen. Zu Beginn möchte ich mich der Freimaurerei widmen, dann folgt ein kurzer Abriss über die historische Entwicklung der Maurerei, es schließt sich eine kurze Erläuterung der Lehrarten, Grade bzw. Hochgrade, der Unterschied zwischen liberaler und dogmatischer Maurerei an, hierzu zählt auch die Frage der Frauen und als letztes ein kurzer Blick in die Zukunft der Maurerei.


Freimaurerei

Wie stellt sich für mich als Suchender die Freimaurerei nach Studium von diversen Seiten im Internet und Büchern dar? Eine schwierige Frage, die ich schlagwortartig beantworten will. Im Negativen sind die Freimaurer ein Geheimbund der nach der Weltherrschaft strebt; Freimaurer sind Atheisten und richten sich gegen die christlichen Religionen; Freimaurerei hat heute keine Aktualität mehr, ist geschichtlich überholt und eine vom Leben abgekapselte Spielwiese und sie ist frauenfeindlich; Freimaurer sind eine unbedeutende Gruppe meist älterer Männer, die in ihrer Rolle als Freimaurer fast vollständig den Zusammenhang mit der tatsächlichen Welt und ihren Erschütterungsprozessen verloren hat. Im Positiven ist eine Loge ein Ort an dem Brüderlichkeit, Vorurteilslosigkeit, Toleranz, der Dialog mit Andersdenkenden gepflegt wird. Jede Schwester und jeder Bruder kann sich in der Gemeinschaft Selbstverwirklichen und seine kritische Vernunft schulen. Die Logen sowie einzelne Schwestern und Brüder pflegen internationale Beziehungen und tragen zur Versöhnung der Völker bei. Wie so häufig liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Die negativen Anmerkungen können wir Freimaurer nicht alle einfach so beiseite schieben und die vorbehaltlose Annahme aller positiven Aspekte entspräche nicht der Realität in den Logen und der Freimaurerei gesamt, denn auch wir sind nur Menschen. Unsere Ideale sind Humanität, Toleranz und Brüderlichkeit. Wir unterscheiden uns da nicht von anderen ethischen Gruppierungen. Was ich Ihnen darstelle, ist ein Teil meines Verständnisses der Freimaurerei, und alle Freimaurerinnen und Freimaurer, die hier an diesem Tisch sitzen, werden das, was ich vortrage, kritisch prüfen, überdenken, es für richtig befinden oder als unrichtig ablehnen. Dies ist eines der wesentlichen Merkmale der Freimaurerei. Sie ist eine Philosophie, ohne ein philosophisches System zu sein, und sie ist eine Lebenshaltung. Innerhalb der Freimaurer gibt es daher auch keinen Oberhirten, keinen Guru, keinen Chefideologen und keinen Lehrer oder Meister, der dem einzelnen Maurer verbindlich erklärt, wie dieses oder jenes zu verstehen sei und was er in seinem Leben zu tun habe. Dafür ist jede und jeder selbst vor seinem Gewissen verantwortlich. Das hört sich sehr weitläufig und unverbindlich an, aber es gibt für alle Maurer einen - allerdings sehr weit gefassten - Rahmen, außerhalb welchem man nicht Freimaurer sein kann. Ich möchte diesen Rahmen mit den Drei Säulen des Denkens und Handelns, dem Ritual und die Arbeit an sich selber beschreiben. Die drei Säulen des Denkens und Handelns lassen sich mit den Begriffen Toleranz, kosmopolitische Haltung und Humanität bezeichnen. Viel zu häufig wird Humanismus mit Humanität verwechselt. Ich möchte drei Unterschiede nennen:

Humanismus entspringt dem Kopf - Humanität dem Herzen;

Humanismus ist ein Programm - Humanität eine Gesinnung;

Humanismus hofft -- Humanität handelt.

Das bedeutet, zuallererst muss ich bei mir beginnen, nicht den theoretischen Humanismus pflegen, sondern Humanität leben, ich - nicht der Andere. Freimaurer zu werden bedeutet das Einleiten eines lebenslangen Prozesses, das permanente Arbeiten an sich selber. Die Rituale der drei Grade Lehrling, Geselle und Meister unterstützen diese Arbeit. Sie sprechen alle vom Gleichen, nämlich vom Menschen mit seinen Grenzen und Möglichkeiten, seinen Stärken und seinen Schwächen. Sie geben uns Werkzeuge, entlehnt der Werklehre der Dombauhütten, mit denen jeder an sich selber arbeitet und enthalten bildhafte Symbole, sowie symbolische Handlungen. Gerade das Ritual spricht tiefere Schichten meiner Selbst an, lässt mich froher und ruhiger werden – gelassener. Zu den faszinierendsten Einsichten als Freimaurer gehört für mich, dass sich das, was ich als die „Essenz“ der Freimaurerei begreife, sich in Übereinstimmung befindet mit Ansätzen in der Welt des 21. Jahrhunderts. Wo Menschenrechte, die zu fordern und gesetzlich festzuschreiben unseren freimaurerischen Vorgängern Auftrag und Visionen gewesen sind, heute in einigen Staaten der Welt als weitgehend gegeben erlebt werden. Wo Geist und Glaube keine absoluten Wahrheits-Kategorien mehr darstellen, sondern als individuelle, persönlichkeitsbildende Parameter von jedem angenommen werden können oder eben auch nicht. Dies für mich, für meine Schwestern und Brüder, für alle Menschen zu erhalten, zu bewahren und ganz wesentlich gerade heute weiterzuverbreiten und dies Tag für Tag ist meine Pflicht als Freimaurer. Und darum bleibe ich Freimaurer, wobei ich mich nicht nur an den Idealen unseres Bundes orientiere sondern auch an Hermann Hesse, der gesagt hat:

Gegen die Infamitäten des Lebens

sind die besten Waffen:

Tapferkeit, Eigensinn und Geduld.

Die Tapferkeit stärkt,

der Eigensinn macht Spaß,

und die Geduld gibt Ruhe.

Wir leben heute in einer völlig anderen Welt und gesellschaftlichen Strukturen als unsere freimaurerischen Vorfahren. Die alteuropäischen Werte wie Humanität, Toleranz und Brüderlichkeit, die fürsorglichen Traditionen der Industriegesellschaft, Gemeinschaftlichkeit, Solidarität, die soziale Ethik - all das, schwindet zusehends und ist zum Teil schon unwiderruflich passé. Die universalen Menschenrechte dagegen haben als Richtschnur innen- und außenpolitischen Handelns der westlichen Demokratien in den vergangenen Jahrzehnten ständig an Bedeutung gewonnen. Ethische Wertmaßstäbe sind von grundsätzlicher Bedeutung für das Selbstverständnis offener, liberaler Gesellschaften geworden. Moralische Standpunkte müssen sich aber, wenn sie gleichberechtigte Geltung beanspruchen, an ihrer Vereinbarkeit mit absolut gültigen Grundwerten messen lassen. Doch diese Grundwerte freiheitlicher Demokratien sind von einer anderen Art als die Maximen ideologischer Weltbeglückung oder moralistischer Menschheitsbelehrung, welcher Couleur sie auch immer sein mögen. Die unverzichtbaren Normen der offenen Gesellschaft, die in den konstitutionellen Bürgerrechten und in der Erklärung der Menschenrechte niedergelegt sind. Sie schreiben nicht vor, was zu tun, sondern was aus schmerzlicher historischer Erfahrung zu lassen sei, nämlich anderen die eigenen politischen, religiösen oder lebensweltlich-kulturellen Überzeugungen aufzuzwingen. Dies sind zutiefst freimaurerische Grundwerte. Nun könnten wir unseren Bund auflösen und sagen, wir haben erreicht was wir wollten. Eben nicht, denn wir haben zwar zivile Freiheitsrechte, aber ein Grossteil der Menschheit nicht und immer noch ist dieses Band menschlicher Grausamkeit, ideologischem, religiösem und ethnischem Fundamentalismus, vom Archipel Gulag, über den Holocaust, Kambodscha, Ruanda, Bosnien, Nord-Irland und Selbstmordattentäter nicht nur in Israel, sondern langsam auf der ganzen Welt, nicht zerrissen. Wir Freimaurer treten ein für die Achtung vor der Würde jedes Menschen, für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, für Brüderlichkeit, Toleranz und Hilfsbereitschaft. Für uns, für alle Schwestern und Brüder gilt es, die Glaubens- Gewissens- und Denkfreiheit jeder Freimaurerin und jeden Freimaurers zu bewahren. Jeder Mensch, der zu uns kommt hat die Möglichkeit

  • der Persönlichkeitsentwicklung und Persönlichkeitsentfaltung auf der Basis von Selbsterkenntnis,

  • der Erweiterung des persönlichen Horizonts durch die Auseinandersetzung mit geistig-kulturellen und gesellschaftspolitischen, sowie ethisch - moralischen und philosophischen Themen auf der Basis freimaurerischer Grundwerte,

  • der Erweiterung persönlicher Fähigkeiten durch aktive Mitarbeit innerhalb und außerhalb der Loge,

  • von Orientierungshilfen zu persönlicher Sinngebung und Lebensgestaltung.

Historisches

Der Ursprung der Freimaurerei liegt im Dunkel der Geschichte. Bekannt und gut belegbar ist, dass die Freimaurer zum ersten Mal Anfang des 18. Jahrhunderts in Erscheinung traten. Der deutsche Freimaurer und Freimaurerforscher Allan Oslo gründet die Freimaurerei in seinem Werk Die Geheimlehre der Tempelritter von 1998 auf historisch weit entfernten Spuren. Er weist darauf hin, dass um das Jahr 800 im Süden des heutigen Irak die Bruderschaft der Baumeister als ein anderer Weg zur Erlangung der esoterischen Erkenntnis gegründet worden sei. Die Bruderschaft habe im bewussten Gegensatz zu den dogmenvorgebenden Religionen eine neuartige Ideologie begründet, die auf der Freiheit des Individuums, Zusammenarbeit der unterschiedlichen Religionen und der Relativität eines jeden Systems von menschlichen Beziehungen basierte. Die Ideologie drückte sich in Anspielungen und Symbolen aus dem Bauhandwerk aus. Nach einer Arbeit des niederländischen Historiker Luitse, soll bereits im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts ein freimaurerischer Orden in verschiedenen europäischen Großstädten bestanden haben. Ziele dieses Ordens seien humanistisch, die Erneuerung der katholischen Kirche, der antiken Kultur und die Verschmelzung von Islam, Judentum und Christentum gewesen. Der Freimaurer Poselger hat 1837 auf die Berichte u.a. von den Konzilen von Rouen (1189), Toulose (1229), Avignon (1326) und Sens (1528) hingewiesen. In denen vor einer geheimen Gesellschaft gewarnt wird. Zitat: „Die Verbrüderten sind an mehreren Orten verbreitet, und insofern sind es mehrere Gruppen eines Stammes. Mitglieder sind besonders Adlige, auch andere, sogar Kleriker. Sie kommen an geheimen Orten zusammen, besonders einmal im Jahr versammeln sich alle. Sie wählen unter sich ein Oberhaupt, versprechen strengen Gehorsam, erweisen sich untereinander Hilfe und Beistand. Wenn sie zusammenkommen, legt jeder ein besonderes einander ähnliches Kleidungsstück an. Sie haben auch besondere Zeichen/Losungen und eigene Charaktere. Dabei ist diese Fraterie höchst gefährlich, sie ist der Kirche und dem geistlichen Stande nicht hold, sie muss schlechterdings ganz ausgerottet werden“.Von Konzil zu Konzil verschärfen sich die Strafen, die Gläubigen werden aufgefordert, die Mitglieder zu denunzieren und dem weltlichen Arm des Gesetzes auszuliefern. Spätere Konzilsberichte melden, dass sich in den „Logen“ (sic!) insbesondere am „Johannistage“ (sic!) Adlige, Bürgerliche und Kleriker treffen, besondere Kleidungsstücke über den bereits getragenen anlegen und besondere Zeichen machen. Das Kleidungsstück wird als „vestis“ beschrieben, also Schurz! Die ersten schriftlichen Belege für das englische Gildenwesen, das als direkter Vorgänger der Freimaurer angesehen wird, reichen in das ausgehende 14. Jahrhundert zurück. In der Steinmetzordnung von York Minster findet man den Begriff, aus dem normannisch-französischen, masoun und im Letterbook der Stadt London datiert vom 9. August 1376 den Begriff freemason für die Steinmetzgilde. Weitere Dokumente belegen, dass sich bereits Ende des 16. Jahrhunderts Freimaurerlogen in Schottland gegründet haben. Die Gilden waren nach dem großen Brand von London im Jahre 1666 Veränderungen unterworfen, die von „einer geschlossenen Berufsorganisation“ zu „einer Vereinigung von Mitgliedern“ mit dem zunehmenden Charakter eines Unterstützungsvereins führte. Dadurch erhöhte sich die Bereitschaft zur Aufnahme von Nichtmaurern. Vier Londoner Logen sollen 1717 dann die erste Großloge gegründet haben, dies ist aber nirgends schriftlich festgelegt und somit historisch nicht belegbar. Erst ab dem Jahre 1723 sind Sitzungsprotokolle erhalten geblieben, die Auskunft über die Geschichte der englischen Großloge geben. Unter ihrem dritten Großmeister, so nennt man den Vorsitzenden einer Großloge, wuchs diese Großloge rasch, bereits 1732 zählte sie 109 Logen. Die englische Großloge war nicht die erste, aber sie entwickelte sich zu einer Institution, die bestimmte welche Loge, bzw. welche Großloge als reguläre Loge bzw. Großloge anzusehen war und zwar weltweit und dies bis heute. Unter der Leitung des dritten Großmeisters der englischen Großloge entstanden die Konstitution bzw. die heute noch anerkannten Alten Pflichten von 1723. Die Alten Pflichten besagen, dass ein Freimaurer nur ein freier Mann sein kann. Die später aus diesen Alten Pflichten entwickelten Landmarken dogmatisierten die Freimaurerei. Jahrzehnte später haben manche Freimaurer bis zu 53 Landmarken entwickelt. Um den Führungsanspruch zu behalten hat die englische Großloge die Basic Principles von 1929 beschlossen, die festlegen, was eine Großloge ist oder nicht, wer ein Freimaurer ist und wer nicht, fußend auf den so genannten Landmarken und den Alten Pflichten. In den Basic Principles ist festgelegt:

  1. Freimaurer müssen an ein höchstes Wesen glauben;

  2. alle Freimaurer müssen ihre Verpflichtungen auf oder in vollem Anblick des Buches des heiligen Gesetzes (das ist in unserem Kulturkreis die Bibel) oder des Buches, das von dem jeweiligen Mann als heilig erachtet wird, ablegen;

  3. Freimaurer müssen Männer sein, und sie und ihre Logen dürfen keine maurerische Verbindung (gemeint ist, keine gemeinsame Tempelarbeit) zu Logen haben, die Frauen als Mitglieder aufnehmen;

  4. Diskussionen über Politik und Religion innerhalb der Logen muss verboten sein.

Ich habe mich auf die Prinzipien beschränkt, die für den einzelnen Maurer wichtig sind. 1989 wurden diese Basic Principles noch mal bekräftigt und weiterhin gilt, dass Frauen nicht aufgenommen werden. Bereits am 6.12.1737 wurde die erste deutsche Loge Absalom in Hamburg errichtet, die noch heute unter dem Namen Absalom zu den drei Nesseln existiert. Die Freimaurerei trat ihren Siegeszug durch Deutschland und Kontinentaleuropa an. Drei Jahre später wurde in Berlin, am 13.09.1740, die Loge Zu den drei Weltkugeln errichtet aus der sich dann die Großloge Grosse National – Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ entwickelte, die ebenfalls heute noch existiert. 1755 erfolgte die Gründung der Großloge von Frankreich, die sich dann im Jahre 1773 in Grand Orient de France umbenannte. Von Beginn an gab es immer wieder Versuche alle deutschen Logen unter das Dach einer Großloge zu vereinen. Bis zum Verbot durch das nationalsozialistische Regime ist es nicht gelungen. Vor der NS–Zeit gab es 11 Großlogen in Deutschland mit etwa 80.000 Brüdern. Von den Großlogen existieren heute noch die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“, mit derzeit 44 Logen und etwa 1.000 Brüdern und die Grosse Landesloge der Freimaurer von Deutschland - Freimaurerorden, gegründet 1770 mit derzeit 97 Logen und etwa 3.500 Brüdern. Alle anderen Großlogen existieren nicht mehr oder sind in der Großloge Alte und Freie Angenommene Maurer von Deutschland aufgegangen. Diese Großloge ist eine Nachkriegsgründung und umfasst heute etwa 266 Logen mit ca. 9.000 Brüdern. Diese drei Großlogen bilden zusammen mit der Großloge British Freemason in Germany und der American Canadian Grand Lodge in Germany die Vereinigten Großlogen von Deutschland, abgekürzt VGLvD. Die VGL ist von der englischen Großloge anerkannt und bezeichnet sich selbst als die reguläre Maurerei. Alle anderen Großlogen, wie der GOdF, die Frauengroßloge Zur Humanität und die Großloge der gemischten Logen Humanitas sind nach Auffassung der VGL irregulär und den Brüdern der VGL ist jeglicher Kontakt zu so genannten irregulären Freimaurerinnen und Freimaurern verboten. Lehrarten und Grade Die Freimaurerei teilt sich auf in eine christliche und humanitäre Maurerei. Beide haben zwar das Symbol des Grossen Baumeisters aller Welten, das ist der freimaurerische Gottesbegriff, in ihren Ritualen, aber die humanitäre Maurerei nahm Männer jeglichen Glaubensbekenntnisses auf, im Gegensatz zu der christlichen Maurerei, die nur Männer mit christlichen Glauben aufnahm. Erst in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts ließen die letzten deutschen Großlogen, die Aufnahme von Männern jüdischen Glaubens zu. Heute wird lediglich in der Grossen Landesloge ein Bekenntnis „zur reinen Lehre Jesus Christus“ verlangt. Die Freimaurerei teilt sich weiterhin auf in die Johannisgrade, die blaue Maurerei, das sind die drei Grundgrade, Lehrling, Geselle, Meister und in die rote Maurerei, das sind die Hochgradsysteme. Alles freimaurerische Wissen ist in den drei Grundgraden enthalten, weiterführende Hochgradsysteme können als weitere Erkenntnisstufen, aufbauend auf die drei blauen Grade bezeichnet werden. Der Alte und Angenommene Schottische Ritus, ursprünglich aus Frankreich stammend, ist wohl das auf der Welt am weitesten verbreitete Hochgradsystem, es geht bis zum 33. Grad und existiert heute noch in Deutschland. Die Grosse Landesloge von Deutschland bearbeitet ein Gradsystem, das bis zum 10. Grad geht, während die Große National – Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ ein Gradsystem mit sieben Graden bearbeitet. Neben diesen bekanntesten Hochgradsystemen gibt es noch weitere Systeme, z.B. der York-Ritus, der in den USA verbreitet ist, und andere die heute noch bearbeitet werden und bis zum 99. Grad gehen. Die Ideale der Freimaurer waren Anfang des 18. Jahrhunderts eine fortschrittliche Kraft. Ein Bund, der Männer ohne Ansehen des Standes und der Weltanschauung in sich vereinte war den absolutistischen Regierungen jener Zeit ein Dorn im Auge. Die Freimaurerei schaffte es Vertreter der geistigen und politischen Elite Europas in ihre Reihen zu bekommen. Nachdem das Bürgertum zur politischen Elite aufrückte war eine Änderung der Zielsetzung des Bundes erforderlich geworden. Eine Alternative bestand darin das „Proletariat“, oder heute würde man von den unteren Gesellschaftsschichten sprechen, ebenfalls zu emanzipieren. Diesen Weg beschritt ein großer Teil der Maurerei in Frankreich und auf der iberischen Halbinsel. Die zweite Alternative reduzierte die Freimaurerei auf deren esoterischen, humanitären und geselligen Teil. Diesen Weg beschritt der überwiegende Teil der Weltfreimaurer unter Führung der englischen Großloge. Die Spaltung der Maurerei begann im Jahre 1877 als der GOdF es seinen Mitgliedslogen freistellte, den Grossen Baumeister aller Welten, das freimaurerische Symbol für Gott, und die Bibel aus ihren Ritualen zu entfernen und statt der Bibel ein Buch mit weißen Seiten zu verwenden. Er verlor mit dieser Entscheidung die Anerkennung der englischen Großloge und gilt seitdem als irregulär. Von daher ist die heutige Freimaurerei gespalten in einen Teil, der von der englischen Großloge und der andere Teil vom französischen Grand Orient de France dominiert wird. Zu den Logen englischer Tradition, zu der auch die deutschen Logen gerechnet werden, gehören u.a. die USA, Kanada, Australien, Südafrika, Indien, also viele Länder, die früher vom englischen Empire regiert wurden und heute dem Commonwealth angehören. Zur französischen Tradition zählen die Mittelmeerländer, Spanien, Italien, Portugal und natürlich die Länder, die ehemals unter französischer Kolonialherrschaft standen oder Länder zu denen Frankreich traditionell freundschaftliche Beziehungen unterhalten hat bzw. unterhält, wie z.B. Polen. Ich möchte nur zwei wesentliche Unterschiede zwischen der englischen und der französischen Maurerei hervorheben. Die englische Maurerei besteht darauf, dass der einzelne Maurer an ein höheres Wesen glauben muss, und dies vertritt sie geradezu dogmatisch. Im Gegensatz zur französischen, die diesen Glauben oder Nicht - Glauben jedem Maurer überlässt. Von daher wird die Freimaurerei, ob nun französisch dominiert oder ob sie sich keiner der beiden unterstellt hat, die frei von diesem Dogma ist als adogmatisch und/oder liberal bezeichnet. Der zweite Unterschied ist die Anerkennung von Freimaurerinnen. Die englische Maurerei und somit auch die deutsche erkennen feminine und gemischte Maurerei nicht an, sie sind nach ihrer Vorstellung nicht regulär, weil in den Alten Pflichten aus dem Jahre 1723, die Aufnahme von „Unfreien, Frauen und Krüppel“ verboten ist. Im GOdF sind zwar nur reine maskuline Logen, aber sie lassen seit einigen Jahren Freimaurerinnen zu den Tempelarbeiten zu.

Feminine und gemischtgeschlechtliche Maurerei

Von Anfang an bestand das Interesse der Frauen an der Freimaurerei. Gemischte Logen in England und Frankreich wurden gegründet und verschwanden wieder, einige maskuline Logen nahmen auch Frauen auf. Dieses Verhalten setzte sich jedoch nicht allgemein durch, insbesondere da Frauen sehr viel weniger Rechte hatten als Männer, nicht frei waren und oftmals nicht als vollwertige Menschen angesehen wurden. Bis zur Hochzeit bestimmte der Vater über die Frau, danach ging ihr Eigentum, ihre Kinder, ihre Bewegungsfreiheit, ihre Geschäftsfähigkeit, ihre körperliche Unversehrtheit in das Verfügungsrecht ihres Ehemannes über. Trotzdem gründeten einige maskuline Logen so genannte Adoptionslogen. Die Adoptionslogen, waren keine eigenständigen, sondern den maskulinen Logen beigeordnete Logen, sie führten gemeinsame Tempelarbeiten von Männern und Frauen nach besonderen Ritualen durch. Frauen haben seit Ende des 17. Jahrhunderts versucht Mitglied des reinen Männerbundes zu werden, teilweise ist es ihnen auch gelungen, teilweise soll es bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts gemischte Logen gegeben haben. 1893 wurde in Frankreich mit dem Droit Humain die erste gemischtgeschlechtliche Großloge gegründet. Weitere gemischtgeschlechtliche Großlogen gründeten sich in den folgenden Jahrzehnten. Die erste gemischtgeschlechtliche Großloge in Deutschland wird 1905 durch die Freimaurer Kellner und Reuss gegründet. Ihr Orden der Orientalischen Templer (Ordo Templis Orientis - OTO) arbeitet bis zu Reuss Tod 1923 freimaurerisch und zerfiel dann in Splittergruppen, die mehr esoterisch-magischen Zirkeln glichen als Freimaurerlogen. Bis zum Jahr 1958 gehörten die deutschen gemischten Logen zum Droit Humain, der sehr streng hierarchisch gegliedert ist und bis zum 33. Grad arbeitet. Im Februar 1959 erklärte die gemischte Frankfurter Loge Goethe zum Flammenden Stern ihren Austritt aus dem Droit Humain. Diesem Beispiel folgte die Münchner Loge im September. Die beiden Logen schlossen sich auf einer Gründungsversammlung im Oktober 1959 in Frankfurt zu der Großloge Universaler Freimaurerorden Humanitas zusammen, dem heute 10 Logen angehören, mit etwa 170 Schwestern und Brüdern. 1949 wurde in Berlin die Frauenloge Zur Humanität gegründet. Nach der Gründung weiterer, zuerst freimaurerischer Zirkel, dann Logen, gründete sich 1959 die feminine Großloge Zur Humanität in Berlin. Sie umfasst heute 12 Logen in ganz Deutschland. Am 04. Oktober 2003 gründete sich in Offenbach der Souveräne GrossOrient von Deutschland, dem auch diese Loge angehört. Zum ersten Mal in der Geschichte der Freimaurerei in Deutschland gründete sich ein Großorient dem maskuline, feminine und gemischte Logen angehören. Ausblick Der Nicht-Freimaurer Dieter A. Binder weist am Ende seines Buches Die diskrete Gesellschaft, auf die Diskrepanz zwischen Wort und Tat, zwischen Anspruch und Wirklichkeit hin. Diese Diskrepanz wird es für jeden Freimaurer bis an sein Lebensende geben, nur es gehört zu den vornehmsten Aufgaben als Freimaurer stetig strebend sich zu bemühen diese Kluft zu überwinden. Mit unseren Prinzipien und Idealen müssen wir auf die Menschen zugehen als Schwester und Bruder, als Mensch, in unserem privaten Umfeld, an unserem Arbeitsplatz, überall da wo sich ein jeder von uns gerade aufhält. Das ist unsere Aufgabe als Freimaurer und da sind wir auch heute noch gefragt und notwendig, denn die wahre Solidarität gründet sich auf dem Bewusstsein der Verantwortung, die jeder Mensch, insbesondere wir Freimaurer, gegenüber dem Ganzen hat bzw. haben. Die Wissenschaft lehrt uns heute, dass geschlossene Systeme, langsam aber sicher dem Wärmetod entgegen gehen. Offene Systeme, die Fachleute sprechen von komplexen nicht - linearen Systemen mit Rückkopplungsprozessen, wie auch komplexe soziale Systeme – liegen auf der Grenzlinie zwischen Chaos und Ordnung. Sie zeigen charakteristischerweise Eigenschaften wie Dynamik, Selbstorganisation, Flexibilität und Kreativität. Die Natur ist z.B. solch ein System, auch die heutige Gesellschaft entwickelt sich zu einem solchen offenen System. Das heißt aber für den Einzelnen, dass stützende Wertesysteme sich abschwächen, verändern oder sogar verschwinden und jeder für sich das wird, was die Soziologen als Ich-AG bezeichnen. Wir können, jede Freimaurerin und jeder Freimaurer und die Loge, moralische Stütze und Vorbild sein, etwas an dem unsere Gesellschaft, gerade durch das wegbrechen ganzer Werte-, und Glaubenssysteme, einen großen Bedarf hat. Und dies können wir ohne dogmatischen Hintergrund und dem Anspruch eine allein selig machende Lehre zu haben, tun. Und das ist die Aufgabe jeder Freimaurerin und jeden Freimaurers, besonders in der Zukunft.

Gerhard Etzold-Jordan AltGrossReder und AltGrossMeister

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