
Zirkel
Der Zirkel ist in der Freimaurerei sowohl ein zentrales Symbol mit vielschichtiger Bedeutung als auch eine Bezeichnung für eine informelle Organisationsform. Als Werkzeug und Symbol steht er für allumfassende Menschenliebe, das Streben nach Vollkommenheit, ethische Orientierung und die Verbundenheit aller Freimaurer. Als Organisationsform bietet der Zirkel einen Rahmen für geschwisterlichen Austausch und die Vertiefung freimaurerischer Themen außerhalb der formalen Strukturen der Loge. In beiden Ausprägungen trägt der Zirkel wesentlich zum Verständnis und zur gelebten Praxis der Freimaurerei bei.
Werkzeug und Symbol
Gemeinsam mit dem Winkelmaß und dem Buch der heiligen Gesetze (in säkularen Logen) bildet der Zirkel die „drei großen Lichter“ der Freimaurerei. Er ist ein Werkzeug, das tief in der rituellen Praxis und der symbolischen Gedankenwelt der Freimaurerei verwurzelt ist.
Symbolische Bedeutung:
Allumfassende Menschenliebe und Geschwisterlichkeit: Der Zirkel steht für die allumfassende Menschenliebe, die ein zentraler Wert der Freimaurerei ist. Er symbolisiert das Gefühlsleben und die seelische Verbundenheit des Freimaurers mit seinen Geschwistern und der gesamten Menschheit. Eine Spitze des Zirkels ruht im Herzen jedes Freimaurers, während die andere symbolisch alle anderen Freimaurer umfasst und somit die weltweite Geschwisterkette symbolisiert.
Streben nach Vollkommenheit: Als Werkzeug des Baumeisters, mit dem Kreise und Bögen gezogen werden, repräsentiert der Zirkel das kontinuierliche Streben nach Vollkommenheit. In der Freimaurerei ist dies jedoch kein statischer Zustand, sondern ein fortwährender Prozess der Selbsterkenntnis und der Arbeit am eigenen „rauen Stein“, der eigenen Persönlichkeit.
Ethischer Rahmen und moralische Orientierung: In der rituellen Darstellung wird der Zirkel oft zusammen mit dem Winkelmaß verwendet. Während das Winkelmaß für Recht und Gesetz, für das rechte Handeln im Außen steht, symbolisiert der Zirkel die innere, moralische und gefühlsmäßige Ausrichtung des Freimaurers. Die Kombination beider Werkzeuge verdeutlicht, dass ethisches Handeln sowohl eine äußere als auch eine innere Dimension hat und dass das eigene Gefühlsleben und die zwischenmenschlichen Beziehungen in einen ethisch-moralischen Rahmen eingebettet sein sollen.
Begrenzung, Maßhaltung und Selbstdisziplin: Der Zirkel zieht eine klare Grenze und steht damit für die Notwendigkeit, das eigene Handeln zu kontrollieren, Maß zu halten und sich selbst zu disziplinieren. Er mahnt zur Selbstreflexion und zur bewussten Gestaltung des eigenen Lebensweges innerhalb ethischer und moralischer Grenzen.
Geistige und moralische Orientierung: Während das Winkelmaß oft mit der materiellen Welt und der Rechtwinkligkeit, also dem rechten Handeln, assoziiert wird, steht der Zirkel für die geistige und moralische Orientierung. Er repräsentiert das Gewissen, die innere Richtschnur, die den Freimaurer leitet. Die Kombination von Zirkel und Winkelmaß symbolisiert die angestrebte Harmonie zwischen geistigen Prinzipien und irdischem Handeln.
Unendlichkeit, Vollkommenheit und das Göttliche: Der Kreis als perfekte Form ohne Anfang und Ende kann auch als Symbol für das Göttliche, die Unendlichkeit und das Streben nach spiritueller Vollkommenheit interpretiert werden. Diese Deutung findet sich in verschiedenen freimaurerischen Schriften und Ritualen wieder.
Die Verschränkung von Zirkel und Winkelmaß in den drei Graden: Die unterschiedliche Verschränkung der Werkzeuge Zirkel und Winkelmaß in den drei Graden symbolisiert die Entwicklung des Freimaurers. So umschließt der Zirkel im Lehrlingsgrad das Winkelmaß. Dies soll bedeuten, dass die Arbeit am rauen Stein noch bevorsteht. Im Gesellengrad sind beide Werkzeuge gleichrangig miteinander verschränkt. Der Geselle hat bereits Erfahrung in der Arbeit mit dem Winkelmaß gesammelt. Im Meistergrad liegt das Winkelmaß dann über dem Zirkel. Der Meister soll sich verstärkt der geistigen Arbeit mit dem Zirkel widmen und das rechte Handeln bereits zur Vollendung gebracht haben.
Bedeutung in der freimaurerischen Arbeit:
Initiationsrituale: Der Zirkel spielt eine wichtige Rolle in den Initiationsritualen der Freimaurerei. In einigen Ritualen wird dem Kandidaten der Zirkel an die Brust gesetzt, als Symbol für die neu gefundene Geschwisterlichkeit und die Verpflichtung zur Menschenliebe.
Tempelarbeiten: Auch bei den regulären rituellen Zusammenkünften, den Tempelarbeiten, wird der Zirkel symbolisch verwendet, um die Bedeutung der allumfassenden Menschenliebe und der brüderlichen Verbundenheit zu unterstreichen. Er dient als ständige Erinnerung an die ethischen Prinzipien der Freimaurerei.
Organisationsform
(Kränzchen, Dreieck)
Neben seiner symbolischen Bedeutung als Werkzeug bezeichnet „Zirkel“ in der Freimaurerei auch eine informelle Organisationsform, die sich von der formellen Struktur der Loge unterscheidet. Diese Zirkel, auch „Kränzchen“ oder in seltenen Fällen „Dreieck“ genannt, sind in der Regel regelmäßige, aber formlose Treffen von Meistermaurern.
Gründung und Zweck:
Ergänzung zur Logenarbeit: Zirkel entstehen oft als Ergänzung zur regulären Logenarbeit. Sie bieten Freimaurern die Möglichkeit, sich auch außerhalb des rituellen Rahmens zu treffen und auszutauschen.
An kleineren Orten: In Orten, in denen es keine oder nur eine kleine Loge gibt, können Zirkel eine wichtige Anlaufstelle für Freimaurer sein und den freimaurerischen Gedanken lebendig halten.
Überlogischer Austausch: In Großstädten mit mehreren Logen ermöglichen Zirkel den Kontakt und Austausch zwischen Brüdern verschiedener Logen und möglicherweise unterschiedlicher freimaurerischer Systeme oder Lehrarten.
Geselligkeit und Vertiefung: Zirkel können rein geselligen Charakter haben, aber auch der inhaltlichen Vertiefung freimaurerischer Themen durch Diskussionen, Vorträge oder gemeinsame Lektüre dienen.
Besonderheiten:
Informalität: Zirkel haben keine formelle Struktur, keine Ämter und keine festen Rituale. Sie sind selbstorganisiert und flexibel.
Freiwilligkeit: Die Teilnahme an einem Zirkel ist immer freiwillig.
Beispiele:
Es gibt Zirkel, die sich auf bestimmte Interessensgebiete oder philosophische Fragestellungen spezialisieren, wie z.B. Geschichte, Philosophie oder Kunst.
Bedeutung:
Freimaurer-Zirkel stellen eine wichtige und lebendige Ergänzung zur rituellen Arbeit in der Loge dar. Sie fördern die Geschwisterlichkeit, ermöglichen einen informellen und offenen Austausch und bieten Raum für die Vertiefung freimaurerischer Ideen und Ideale in einem zwanglosen Rahmen. Sie sind ein Ausdruck der Vielfalt und der lebendigen Entwicklung der Freimaurerei.

Ritualgegenstand