Tempelritter
Die Tempelritter (lat. „Pauperes commilitones Christi Templique Salomonici“) waren ein im frühen 12. Jahrhundert in Jerusalem gegründeter geistlicher Ritterorden, der vornehmlich dem Schutz von Pilgern im Heiligen Land diente. Nach seiner Auflösung im Jahr 1312 durch Papst Clemens V. blieb der Orden im kollektiven Gedächtnis präsent und wurde im Laufe der Jahrhunderte zum Gegenstand zahlreicher Mythen und Legenden.
Im 18. Jahrhundert nutzten freimaurerische Hochgradsysteme, allen voran die Strikte Observanz, diese Erzählungen, um eine vermeintliche Traditionslinie zwischen den mittelalterlichen Tempelrittern und der Freimaurerei zu konstruieren. Moderne Forschungen haben jedoch nachdrücklich belegt, dass solche Behauptungen historisch nicht haltbar sind und vor allem der Selbstlegitimation dienten. Trotz klarer Widerlegungen bleiben diese Legenden bis heute ein Mittel gezielter Instrumentalisierung: Historische Symbole werden bewusst neu interpretiert, um politische oder ideologische Ziele zu stützen. Die kritische Auseinandersetzung mit diesem Phänomen unterstreicht die Bedeutung seriöser historischer Forschung, um geschichtliche Fakten von Fiktionen zu trennen und einer missbräuchlichen Neudeutung des Vergangenen entgegenzuwirken.
Historischer Hintergrund
Der Templerorden entstand in der Zeit der Kreuzzüge und vereinte kriegerische Aufgaben mit einem klösterlichen Lebensideal. Er erlangte erheblichen Einfluss, umfangreiche Ländereien und wirtschaftliche Macht. Gleichzeitig wuchsen Druck und Misstrauen seitens weltlicher und kirchlicher Autoritäten. Unter König Philipp IV. von Frankreich begann 1307 eine Verfolgungswelle, die zu erzwungenen Geständnissen, Folter und Hinrichtungen führte. 1312 löste Papst Clemens V. den Orden auf, Jacques de Molay, der letzte Großmeister, wurde 1314 hingerichtet (vgl. Barber 2012; Demurger 2005).
Die Legende einer Templer-Freimaurer-Kontinuität
Vor dem Hintergrund des 18. Jahrhunderts – einer Epoche, in der Geheimbünde, esoterische Rituale und ein romantisierendes Geschichtsverständnis Konjunktur hatten – behauptete die Strikte Observanz, die Freimaurerei sei Erbin der Templer. Diese Legende sollte Prestige verleihen und das eigene System als Hüter eines verborgenen Erbes ausweisen. Doch fehlten von Beginn an stichhaltige Belege. Der Wilhelmsbader Konvent widerlegte den direkten Abstammungsanspruch. Dennoch räumte man eine symbolische, „geistige“ Verbindung ein, um Werte wie Ritterlichkeit und moralische Standhaftigkeit im freimaurerischen Kontext zu verankern (Bernheim 1994; Le Forestier 1914).
Unterschied zwischen historischen Fakten und Legenden
Die moderne Forschung unterstreicht klar, dass keine nachweisbare historische Kontinuität besteht. Der mittelalterliche Orden und die später entstandene Freimaurerei beruhen auf grundlegend unterschiedlichen sozialen, ideologischen und institutionellen Voraussetzungen. Die behaupteten Überlieferungen sind Konstruktionen des 18. Jahrhunderts, die historischen Glanz für eigene Zwecke instrumentalisierten. Es handelt sich um bewusste Geschichtsklitterung, die historische Symbole und Ereignisse zweckentfremdete, um neue Identitätsnarrative zu schaffen.
Neuere Forschungsperspektiven
Aktuelle Studien arbeiten verstärkt interdisziplinär und kontextsensibel, um die komplexen Motive hinter der Erfindung und Verbreitung der Templerlegende innerhalb der Freimaurerei zu verstehen. So zeigt etwa Andreas Önnerfors (2017), dass die Verbreitung dieser Mythen im deutschsprachigen Raum eng mit den Bestrebungen zusammenhing, dem aufstrebenden Bildungsbürgertum und Adel eine exklusive, historische Tiefe zu verleihen. Hier wurde der Templermythos als ein identitätsstiftendes Werkzeug gebraucht, dessen behauptete Traditionslinie bewusst auf eine heroische Vergangenheit zurückgreift.
Helmut Reinalter (2000) betont, dass diese Konstruktionen innerhalb eines Spannungsfeldes aus Geheimniskultur, symbolischer Machtdemonstration und sozialem Abgrenzungsbedürfnis entstanden. Die Legenden dienten dabei nicht als harmlose Geschichten, sondern als machtvolle identitätspolitische Instrumente.
Jüngere Untersuchungen prüfen zudem die Quellenlage kritisch: Mehrfach wurden vermeintliche Dokumente, die eine Templer-Freimaurer-Kontinuität belegen sollten, als nachträgliche Fälschungen entlarvt. Jan Snoek (2010) und andere Forschende weisen darauf hin, wie wichtig eine strenge Quellenkritik ist, um derartige Behauptungen als Konstrukte des 18. Jahrhunderts zu erkennen.
Gegenwärtige Rehabilitationsversuche
Trotz klarer Widerlegungen versuchen heute noch gewisse Organisationen, die Templerlegenden für sich nutzbar zu machen. Sie nutzen vor allem moderne Kommunikationskanäle, um den Anschein einer „wiederentdeckten Wahrheit“ zu erwecken. Dabei werden kritische Forschungsergebnisse ignoriert oder tendenziös interpretiert. Die aktuelle Forschung sieht darin ein Beispiel für gezielte Geschichtsklitterung, die mythische Erzählungen über Fakten stellt und den Wunsch nach exklusivem Geheimwissen bedient. Die dabei entstehenden Narrative vermengen Verschwörungstheorien, esoterische Deutungen und selektive Quelleninterpretationen, um historische Legitimität vorzutäuschen.
Literatur (Auswahl)
Barber, Malcolm (2012): The New Knighthood: A History of the Order of the Temple. Cambridge University Press.
Bernheim, Alain (1994): „Die Strikte Observanz: Eine kritische Untersuchung ihrer Geschichte und Quellen.“ In: Quatuor Coronati Jahrbuch 31, S. 39–52.
Demurger, Alain (2005): Die Templer. Aufstieg und Untergang 1120–1314. C.H. Beck.
Le Forestier, René (1914/1970): La Franc-Maçonnerie templière et occultiste aux XVIIIe et XIXe siècles. Slatkine Reprints.
Önnerfors, Andreas (2017): Freimaurer in Deutschland: Fakten und Legenden. C.H. Beck.
Reinalter, Helmut (2000): Die Freimaurer: Zum gesellschaftlichen Ort von Geheimnis, Verschwörung und Bündnis. StudienVerlag.
Snoek, Jan A. M. (Hrsg.) (2010): Symbols in Transformation: Iconographic Methods in the Study of Religious Transformations. Brill.
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